General Heinz Guderian: So scheiterte Hitlers Panzer-Chef (2024)

Er gilt als Vater der deutschen Panzerwaffe: General Heinz Guderian. Der Überfall auf die Sowjetunion sollte seine große Stunde werden, doch dann blieben seine Panzer im Schnee vor Moskau stecken. Adolf Hitler entließ ihn wegen taktischer Differenzen. Von Hitlers politischen Zielen distanzierte Guderian sich nie, trotzdem ist sein Ruf bis heute legendär.

Am Vormittag des 20. April 1939 erbebte in Berlins Mitte die Erde. Zu Ehren des 50. Militärparade statt. Vor offiziellen ausländischen Gästen und hunderttausenden Schaulustigen rollten 3000 nicht motorisierte Fahrzeuge, 5000 Kraftfahrzeuge sowie 40 schwere Geschütze über die Charlottenburger Chaussee. 41.500 Soldaten und Offiziere nahmen an der Parade teil, über die Köpfe der Menschen rasten lautstark Flugzeuge von Hermann Görings Luftwaffe hinweg.

Hitler wollte seine militärische Macht dem Ausland präsentieren, und das gelang ihm ebenso eindrucksvoll wie erschreckend. 133 Tage später sollte er Polen überfallen und damit den Zweiten Weltkrieg entfesseln.

Heinz Guderian faszinierten Panzerfahrzeuge

An der Zurschaustellung der Macht nahmen auch 600 Panzerfahrzeuge teil. Sie waren neben der Luftwaffe der besondere Stolz des „Führers“. Zu verdanken hatte er den Aufbau dieser neuen und modernen Waffe in erster Linie einem Mann: Heinz Guderian. Seit 1938 General der Panzertruppe, hatte der 51-Jährige sich schon seit vielen Jahren für den Aufbau einer deutschen Panzertruppe eingesetzt. Nun war er am Ziel.

Das Militärische wurde Heinz Guderian, der 1888 im westpreußischen Kulm geboren wurde, quasi in die Wiege gelegt. Denn auch sein Vater hatte der kaiserlichen Armee gedient und es bis zum Offizier gebracht. Das war ungewöhnlich genug, denn Friedrich Guderian war ein Bürgerlicher – und die hatten zu seiner Zeit noch kaum Chancen auf einen Offiziersrang in der Armee Wilhelms II.

Sein Sohn Heinz erlebte den Ersten Weltkrieg als junger Offizier erst im Nachrichten- und dann im Stabsdienst. Die Front sah er also nur kurze Zeit und daher entging ihm auch der Anblick einer neuen Waffe, die ihn alsbald faszinieren sollte: den britischen Tanks – oder Panzern.

Diese neue Erfindung der Engländer hatte zwar keine kriegsentscheidende Bedeutung, doch Guderian führte das nur darauf zurück, dass Briten – und danach auch die Franzosen – schlicht schwere taktische Fehler beim Einsatz der neuen Stahlmonster gemacht hatten. Den Wert der Panzerwaffe erkannte der junge Offizier sofort – man musste sie nur richtig einsetzen. Deutschland selbst hatte im Krieg kaum mehr auf Panzer gesetzt und nur sehr wenige Modelle gebaut.

Spott für die Panzerattrappen hielt Guderian nicht ab

Nach dem Krieg erlaubten die Siegermächte Deutschland nur eine 100.000-Mann-Armee ohne moderne Waffen wie Flugzeuge oder eben auch Panzerfahrzeuge. Trotzdem beschäftigte Guderian sich mit der Panzerwaffe, verfasste Artikel und versuchte, innerhalb der Reichswehr weitere Befürworter zu finden. Das war leichter gesagt als getan, denn Deutschland hinkte nicht nur bei der Entwicklung England und Frankreich weit hinterher – in der Reichswehrführung überzog man die Forderung mit Hohn und Spott.

Besonders, als bei Manövern mangels tatsächlicher Panzer Attrappen eingesetzt wurden. Guderian, der Theoretiker, hatte zu dieser Zeit übrigens noch nie einen Panzer gesehen. Seinen ersten bekam er erst 1929 in Schweden zu Gesicht.

Aber Guderian ließ sich von solchen Reaktionen nicht abschrecken. Inzwischen zum Major befördert und Leiter einer Kraftfahrtabteilung der Reichswehr in Berlin, hatte er immerhin bescheidene Möglichkeiten, das Projekt Panzertruppe voranzubringen, zumal, als sein Vorgesetzter Oswald Lutz ihn förderte. Lutz war ebenfalls ein begeisterter Anhänger der neuen Panzer.

Im Volk wuchs die Popularität des „schnelle Heinz“

Erst seit Ende der zwanziger Jahre begann in der Reichswehr allmählich das Umdenken. Einige Modelle wie der PzKpfW I, genannt auch „Krupp Sport“ wurden entwickelt – gingen aber erst ab 1933 in Serie. Doch trotz der geheimen Aufrüstung der Reichswehr, die nach der „Machtergreifung“ Hitlers in Wehrmacht umbenannt wurde, hatten England und Frankreich noch 1935 einen großen technischen Vorsprung. Mit seinem Buch „Achtung, Panzer“ versuchte er auch im „Dritten Reich“, die Panzerwaffe populär zu machen.

Zum Kriegsbeginn am 1. September 1939 sah die Situation schon anders aus. Die Wehrmacht verfügte inzwischen über 2900 Panzer. Nun zeigte sich, dass diese Waffe sehr geeignet war für Hitlers Strategie des „Blitzkrieges“.

Nachdem zuerst Polen, dann im Frühsommer 1940 Frankreich jeweils in nur wenigen Wochen niedergerungen worden waren, wusste Hitler, wem er diesen Erfolg auch zu verdanken hatte: seinem Panzergeneral Heinz Guderian, der geradezu ungestüm in Frankreich mit seinen Panzern vorgestoßen war. Der „Führer“ verlieh ihm das „Ritterkreuz zum Eisernen Kreuz“ und in der Bevölkerung wuchs die Popularität des „schnellen Heinz“.

„Wir kämpfen nicht mehr gegen die Russen, sondern gegen das Wetter“

Die Erfolge schienen sich mit dem Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 zunächst zu wiederholen. Der Vormarsch der Wehrmacht ging in rasenden Schritten voran. Doch mit dem Wetterwechsel und dem Einsetzen der Regenperiode im Herbst erging es Guderians Panzern nicht anders als den anderen Wehrmachtsteilen: Sie blieben im tiefen Sumpf stecken.

Als der Winter mit eisigen Temperaturen und viel Schnee einsetzte, wurde die Lage dramatisch. Am 5. Dezember musste Guderian den Angriff seiner Panzertruppe auf Tula abbrechen. In einem Brief berichtete er seiner Frau: „Man kann sagen: Wir kämpfen nicht mehr gegen die Russen, sondern gegen das Wetter und das bodenlos unkultivierte Land“.

„Ich habe nicht geglaubt, dass man eine glänzende Kriegslage durch Starrköpfigkeit so verbumfideln kann“

Nun geriet er auch mit seinem obersten Feldherren Adolf Hitler aneinander. Guderian war entsetzt über dessen Plan, zunächst die Ukraine anzugreifen und dann erst auf Moskau vorzustoßen. Mit dieser Strategie schlittere man einem „ungeheuerlichen Abgrund entgegen“. An der militärischen Führung – und damit an Hitler, für den jeglicher Rückzug und sei es auch nur ein taktischer nicht in Frage kam – ließ er kein gutes Haar.

„Ich habe selbst nicht geglaubt, dass man eine geradezu glänzende Kriegslage durch Starrköpfigkeit in zwei Monaten so verbumfideln kann. Wenn man rechtzeitig den Entschluss gefasst hätte, abzubrechen und sich für den Winter in geeigneter Linie zur Verteidigung und wohnlich einzurichten, konnte nichts Gefährliches passieren“, schrieb er wiederum an seine Frau. Nach einer mehrstündigen Diskussion mit Hitler bat er diesen um seine Entlassung – und Hitler kam dem Wunsch nach.

Hitler holte Guderian zurück: „Ich brauche Sie“

Doch in der Folgezeit verschlechterte sich die Kriegslage aus deutscher Sicht immer weiter. Nach der Niederlage von Stalingrad im Januar 1943 holte Hitler Guderian zurück. Er empfing ihn mit den Worten „Ich brauche Sie“ und machte ihn zum Generalinspekteur der Panzertruppen. Nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 machte der „Führer“ ihn sogar zum Chef des Generalstabes des Heeres.

Doch an der sich abzeichnenden Kriegsniederlage konnte weder Guderian noch die neuen, technisch hervorragenden Panzertypen „Tiger“ und „Panther“ etwas ändern. Als es zu neuerlichem Streit kam, entließ Hitler Guderian Ende März 1945 erneut.

Guderian gerietin Kriegsgefangenschaft, wurde aber 1948 entlassen. Später schrieb er seine Memoiren, in denen er den Eindruck zu erwecken versuchte, die Wehrmacht sei im Krieg – anders als die SS – „sauber“ geblieben. Tatkräftig werkelte er selbst an dem Bild, er sei der Vater der deutschen Panzerwaffe gewesen. Dieses Image hat er verdient, auch wenn es andere Offiziere gab, ohne die er sein Ziel zumindest später erreicht hätte.

Kein überzeugter Nazi, aber Opportunist

Er sei kein überzeugter Nazi gewesen, wohl aber ein Opportunist, ist der Militärhistoriker Markus Pöhlmann überzeugt. Seine oppositionelle Haltung gegenüber Hitler hatte einzig etwas mit dessen taktischen und strategischen Auffassungen zu tun – nicht mit dessen politischen Auffassungen. Heinz Guderian starb 1954.

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